Feministische Gegenkultur an den Hochschulen
Rede, 14. Juni 2019, NiUnaMenos-Platz (Helvetiaplatz) Zürich
von Zürcher Hochschulkollektiv
Struktureller Sexismus macht auch vor den Hochschulen nicht halt. Während mehr als die Hälfte der Studierenden FTIQ* sind (also Frauen*, trans*, inter* und queere Personen), zeigt sich bei den Doktorierenden ein krasses, gegendertes Ungleichgewicht. Je höher es in der akademischen Karriereleiter geht, umso mehr Stellen werden von cis Männern* belegt. Und die Teilzeitanstellungen im akademischen Bereich gaukeln uns zwar die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor, effektiv erwartet uns aber doppelter Einsatz zu halber Entlöhnung.
Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in sogenannten ‹Frauen*berufen › findet auch an den Hochschulen statt. Arbeiten wie Reinigung oder Essensausgabe werden an private Unternehmen ausgelagert. Die Angestellten dieser Dienste profitieren dadurch nicht von den gleichen Bedingungen, wie Menschen, die direkt bei den Hochschulen angestellt sind. Wir fragen: warum darf die Mensamitarbeiterin* nicht auch den Akademischen Sportverein Zürich nutzen? Und warum darf die Professorin* ihr Kind in eine subventionierte Krippe bringen, die Person, die die Toiletten der Uni putzt, aber nicht?
Die Bildungsinhalte sind in allen Studienrichtungen männlich* dominiert und oft fällt uns das nicht einmal auf. Im Geschichtsstudium sind 29 von 30 Texten von Männern* geschrieben. Hochschulen – ist das euer Ernst? Wir müssen anfangen, dieses Ungleichgewicht nicht einfach als normal zu akzeptieren, sondern uns dessen bewusst zu werden und dagegen zu kämpfen. Denn die Theorien, Gedanken und Geschichten dieser Männer* sind nicht die unseren!
An den Hochschulen wird Bildung mit Ausbildung gleichgesetzt. In diesem System, das auf Leistung, Profit und Konkurrenzdenken ausgerichtet ist, wird Bildung zu einer Ware. Für uns beinhaltet Bildung dagegen Selbstbestimmung, Selbstermächtigung, das Erlernen gesellschaftlicher Teilhabe und gelebter Solidarität. Bildung ist nicht Ware, Bildung ist Emanzipation!
Die Hochschulen haben keinen Raum für Menschen, die nicht den westlich- kapitalistischen Normen entsprechen. People of Color dürfen mitmachen, solange sie Rassismus nicht erwähnen. Genderqueere Personen werden toleriert, so lange sie sich in das binäre Geschlechtersystem einordnen. Und Frauen* sind okay, solange sie die Doppelbelastung von Lohn- und Carearbeit still ertragen. Wir als Hochschulkollektiv wollen eine feministische Gegenkultur an den Hochschulen bilden. Wir machen nicht nur darauf aufmerksam, was alles schiefläuft, sondern versuchen intersektional, feministisch und emanzipatorisch zu leben.
Wir fordern gute Anstellungsbedingungen für ALLE Hochschulmitarbeitenden.
Wir fordern safe spaces für genderqueere Personen.
Wir fordern aktiv praktizierten Antirassismus in Bildungsinstitutionen.
Wir fordern, dass an Hochschulen nicht kapitalistische, sondern bildungsorientierte Ziele im Fokus sind.
Feminismus ist kompromisslose Herrschaftskritik. Das heisst Angriff aufs Patriarchat, auf kapitalistische, rassistische und umweltzerstörerische Machtansprüche – auch an den Hochschulen!
Anmerkung der Redaktion:
Wir verwenden das Gender-Sternchen *, um auf die soziale Konstruiertheit der Kategorie Geschlecht aufmerksam zu machen. Wenn wir Binnen-* verwenden, meinen wir immer alle Geschlechter. Wenn wir etwa von «Frauen*» oder «Männer*» schreiben, verweisen wir auf die Konstruiertheit der Binarität der Geschlechter.