Statement zum Versammlungsverbot ab 1000 Personen zum internationalen Frauen*kampftag am 8. März
8. März Frauen*bündnis Zürich und Feministisches Streikkollektiv / Frauen*streikkollektiv Zürich
Das Programm für den internationalen Frauen*kampftag vom 7. & 8. März 2020 findet in Zürich wie geplant statt:
Wir machen uns gerade in «Krisenzeiten» für Feminismus stark!
Das Coronavirus versetzt viele Menschen in Alarmstimmung: Unsere feministische Antwort auf diese “Krise” lautet, auf zur Frauen*demo und auf zum feministischen Streik am 7. und 8. März 2020!
Die Doppelmoral der Coronavirus-Politik hat Medico International in ihrem Statement schön beschrieben: “Erst dann, wenn eine Krankheit die Grundlagen der globalen Wirtschaftsströme bedroht und auch die Menschen in der First und Business Class der ‘Weltgemeinschaft’ betrifft, gibt es plötzlich enorme Mittel, die für die chronischen Hungerleider der Welt, (…) nie zur Verfügung stehen” (Medico International). Auf einmal fliessen Millionen, während in der Forschung, der Pflege, der Betreuung, in der Altersvorsorge und bei den Löhnen gespart wird. Es wird für die “innere Sicherheit” aufgerüstet, während geflüchtete Menschen in menschenverachtenden Lagern wohnen müssen. Ausserdem steht die Bedrohung, die vom Coronavirus ausgeht, in keinem Verhältnis zur medialen Panikmache. Masern, Tuberkulose oder Malaria fordern jährlich viel mehr Tote und niemand spricht darüber – der Unterschied? Das Coronavirus trifft den globalen Norden, die kapitalistischen Zentren.
In ebensolcher Manier vollzieht der Bundesrat nun eine Notfallübung. In der “Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19)” hält er fest, “Massnahmen gegenüber der Bevölkerung zur Verminderung des Übertragungsrisikos des Coronavirus (COVID-19) zu treffen” (Verordnung des Bundesrats). “Gemäss Art. 2 dieser Verordnung tritt ein Veranstaltungsverbot für öffentliche und private Veranstaltungen, bei denen sich gleichzeitig mehr als 1000 Personen aufhalten” in Kraft (Stadtpolizei Zürich). Als explizit verbotene Veranstaltungen werden jedoch ausschliesslich solche des Freizeitbereiches aufgeführt: Fasnacht, Demonstrationen, Fussballspiele. “Grosse Bürogebäude, Einkaufszentren, Märkte, Museen oder Bahnhöfe mit insgesamt mehr als 1’000 Personen sind davon also nicht betroffen” (Stadtpolizei Zürich).
Es gibt viele Gründe, warum wir uns dem Verbot der Frauen*demonstration am 7. März sowie der Streikversammlungen am 8. März widersetzen:
Stellt man sich die Frage, wo überall Ansteckungsgefahren lauern, lässt sich eine ganze Reihe an Situationen definieren. Die grösste Ansteckungsgefahr herrscht gemäss Massnahmenkatalog des Bundes da, wo sich Menschen die Hände reichen, wo Gegenstände die Hände wechseln und wo Menschen sich direkt anniesen, weil sie eng beieinander stehen oder sich gegenüber sitzen. Tatsächlich ungeschützt und ausgesetzt sind demnach zum Beispiel Detailhandelsangestellte in Supermärkten, die Geld aus zehntausenden Händen entgegennehmen. Direkt ausgesetzt sind somit auch Pendler*innen zu Stosszeiten, Pflegekräfte in Spitälern und Heimen oder Betreuer*innen in Kitas und Schulen.
Die Beispiele zeigen auf, dass der Bund an erster Stelle die Wirtschaft schützt und nicht die Bevölkerung. Denn die vielleicht am meisten ausgesetzte Detailhandelsangestellte wird nicht ins Zentrum der Schutzmassnahmen gestellt. Solange dies nicht der Fall ist, solange Supermärkte, Bahnhöfe und Pendlerzüge nicht reorganisiert werden müssen, sehen wir keinen Grund, warum Veranstaltungen die draussen und dazu noch in Bewegung sind, an denen man den Abstand zu anderen Menschen selbst regulieren kann, nicht stattfinden sollen. Umso mehr rufen wir Personen, die in Pflege, Betreuung, Sexarbeit, Reinigung, Gastronomie, Verkehr oder Detailhandel arbeiten zum Streik auf, da sie möglicherweise in unseren Aktionen besser vor einer Ansteckung geschützt sind als in ihrem Arbeitsumfeld.
Deshalb: Alle an den feministischen-/ Frauen*-Streik!
Feministisches Streikkollektiv / Frauen*streikkollektiv Zürich: Auf zum zum Streik am 8. März, alle um 15:00 auf den Sechseläutenplatz. Wir sind viele – und der Widerstand wächst. Die Vernetzung vor und nach dem 14. Juni 2019 hat uns bestärkt und gezeigt wie wichtig der feministische Streik ist. Am 8. März legen weltweit Frauen, Lesben, Inter-, Non-binäre-, Trans- und genderqueere Menschen (kurz FTIQ*/FLINT*) die Arbeit nieder. In diese internationale Bewegung reihen wir uns ein. Unsere Forderungen bleiben aktuell, denn unsere Lebensrealitäten sind geprägt durch andauernde Angriffe. Jede zweite Woche wird in der Schweiz ein Femizid begangen, das heisst, ein*e von uns wird von ihrem (Ex-)Partner ermordet. Fast jede von uns ist betroffen von sexistischer, homophober, transphober und/oder rassistischer Gewalt. Mit der AHV-Reform 21 wird die strukturell und institutionell verankerte Benachteiligung von uns FTIQ*/FLINT* verstärkt und Altersarmut befördert. Weltweit verschärft sich die Repression gegen feministische Proteste. Arbeitsbedingungen in der Pflege, Betreuung, Reinigung, Gastronomie und vielen weiteren Sektoren werden durch neoliberale Umstrukturierungen verschlechtert, betroffen davon sind wir! Wir sagen NEIN zur Zweitplatzierung in der Welt und nehmen uns den Raum selbst!
8. März Frauen*bündnis Zürich: Alle an die Frauen*demo am 7. März um 13.30! Als Frauen* erleben wir Tag für Tag Gewalt, Sexismus und die Abwertung unserer Arbeit, sei dies nun zu Hause, auf der Strasse, bei der Arbeit oder im Club. Wir haben genug davon! Wir wissen, dass unsere bezahlte und unbezahlte Arbeit genau gleich viel Wert ist wie die von Männern* und wollen, dass sich dies endlich in der gesellschaftlichen Wertschätzung und in der Bezahlung zeigt. Schluss mit der gratis Betreuungsarbeit! Für uns ist klar, dass wir mehr sind als unsere Körper, wir nicht auf sie reduziert werden wollen und diese uns gehören. Gemeinsam verteidigen wir uns und bekämpfen Sexismus und die Angriffe, denen wir täglich ausgesetzt sind. Wir werden auch dieses Jahr wieder mit ganzer Stärke auf die Strasse gehen und den Frauen*kampf gegen Aussen tragen, weil niemand, auch keine grüne Polizeivorsteher*in uns vorschreiben soll, wann und wie wir für unsere Rechte als Frauen* demonstrieren. Ihre Drohung ist uns egal! Denn die einzig richtige Antwort auf die versuchte Gängelung der Zürcher Polizei ist, dass wir uns ihrem Diktat entziehen. Wir möchten daran erinnern, dass wir keine Bewilligung eingereicht haben und dass uns diese logischerweise auch nicht entzogen werden kann. Wir nehmen uns seit über 30 Jahren selbstbewusst den Raum und brauchen keine Erlaubnis zum Protestieren.
Kommt und seid laut! Wir nehmen uns den Raum! Solidarität ist der beste Gesundheitsschutz!
Eure Sicherheit ist uns wichtig: Schaut aufeinander! Sexismus und Rassismus entgegentreten und bei Repression die Aussage verweigern. Menschen mit Grippesymptomen bitten wir zuhause zu bleiben und die vom Bund zur Verfügung gestellten Massnahmen zu beachten. Wir empfehlen allen Teilnehmenden, in die Ellenbeuge zu niesen, sich regelmässig die Hände zu waschen und Körperkontakt in Grenzen zu halten.
8. März Frauen*bündnis und Feministisches Streikkollektiv / Frauen*streikkollektiv Zürich