Leitfaden

Wie streiken?

Sind du und deine Kolleg*innen frustriert über eure Arbeitsbedingungen? Bist du besorgt, dass unbezahlte Arbeit in unserer kapitalistischen Gesellschaft systematisch unterbewertet wird? Willst du dich dem Kampf gegen strukturelle Ungleichheit anschließen und Solidarität über Grenzen hinweg aufbauen? Dann zeige gemeinsam mit uns am 14. Juni Haltung!

Die Kraft, etwas zu verändern, kommt aus den gemeinsamen Anstrengungen der Menschen. Um sich für den Wandel zu organisieren, braucht es Mut, Zusammenhalt und Koordination. Unser Leitfaden soll euch als Ausgangspunkt für die Planung eurer Aktionen dienen.

Unser Leitfaden befasst sich zwar in erster Linie mit bezahlter Arbeit, aber wir müssen den Wert aller Formen von Arbeit, ob bezahlt oder unbezahlt, anerkennen. Deshalb haben wir auch Aktionen aufgeführt, die ihr in eurer unbezahlten Arbeit durchführen könnt, um eure Forderungen zu unterstreichen!

Denkt daran, dass die Auswirkungen unserer Aktionen über den 14. hinausgehen. Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und die Anerkennung der unbezahlten Arbeit ist ein ständiger, kollektiver Kampf. SOLIDARITÄT!

Vor dem Streik

  • Um zu streiken, musst du an deinem Arbeitsplatz eine Gruppe von Streikwilligen bilden. Dies kann eine Herausforderung sein, da ein Streik Risiken mit sich bringt und viel Mut und Ressourcen (wie Zeit und Informationen) erfordert. Je nach Form(en) der Diskriminierung, denen deine Arbeitskolleg*innen ausgesetzt sind, könnte das Risiko von Konsequenzen für sie grösser sein. Wende dich zuerst an die Kolleg*innen, denen du vertraust.
  • Wende dich an die für deinen Sektor zuständige Gewerkschaft. Sie kann euch dabei unterstützen, sicherzustellen, dass euer Streik legal ist und dass negative Folgen minimiert oder vermieden werden können. Tausche dich mit anderen Arbeiter*innen aus, überlegt euch eure Forderungen zu den Arbeitsbedingungen und legt diese zusammen mit eurer Gewerkschaft deiner*deinem Arbeitgeber*in vor. Wenn der*die Arbeitgeber*in nach den Verhandlungen nicht auf eure Forderungen eingeht, denke gemeinsam mit deinen Kolleg*innen und eurer Gewerkschaft über mögliche Aktionen nach – z.B eine Streikpause oder alternative Aktionen (siehe einige Ideen auf der nächsten Seite). Ein Streik ist die radikalste und meist letzte Möglichkeit. Die Gewerkschaften können den Prozess begleiten und versuchen, negative Folgen zu vermeiden.
  • Die vorherige Benachrichtigung euer*s Arbeitgeber*in ist wichtig, wenn du in bestimmten Sektoren arbeitest, z. B. im Bildungs- oder Gesundheitswesen, in denen während des Streiktages ein Mindestmaß an Dienstleistungen gesetzlich vorgeschrieben ist.
  • Per juristische Definition, ist ein Streik eine kollektive Arbeitsverweigerung um Forderungen zu bestimmten Arbeitsbedingungen gegenüber einem*einer Arbeitgeber*in durchzusetzen. Wenn du als Einzelperson oder ohne Forderungen bezüglich deiner Arbeitsbedingungen teilnehmen willst, gilt dies nicht als legaler Streik. Teile deinem*r Arbeitgeber*in jedoch im Voraus mit, dass du dich beteiligen möchtest, damit für dich ein anderer Tag eingeplant werden kann.
  • Wenn es in deinem Sektor oder an deinem Arbeitsplatz einen Gesamtarbeitsvertrag gibt, sollte die für deinen Sektor zuständige Gewerkschaft in diesem Dokument aufgeführt sein. Wende dich an diese Gewerkschaft (und werde Mitglied, wenn du das möchtest!)
  • Wenn du nicht weisst, welche Gewerkschaft für deine Branche zuständig ist, kannst du dieses Formular unverbindlich ausfüllen (https://uss.sgb.ch/mitgliedwerden), und der Schweizerische Gewerkschaftsbund wird dich mit der richtigen Gewerkschaft in Verbindung setzen.
  • Wende dich an dein lokales Streikkollektiv, das dir weitere Informationen über angeschlossene Gruppen und Organisationen geben kann.
  • Du wirst (wahrscheinlich) für den Tag kein Gehalt von deiner*deinem Arbeitgeber*in erhalten. Du kannst jedoch eine Entschädigung aus dem „Streikfonds“ der Gewerkschaft beantragen, wenn du Gewerkschaftsmitglied ist, um etwaige Verluste aufgrund deines Streiks zu decken.
  • Bei illegalen und legalen Streiks können die Arbeitgeber*innen Druck ausüben oder Sanktionen verhängen. Erfahrungen haben gezeigt, dass eine eintägige Abwesenheit meist nicht direkt zu einer Kündigung führt. Solche oder andere Konsequenzen können jedoch je nach Arbeitgeber*in und je nachdem, ob der*die Arbeitgeber*in ein Streikverbot ankündigt, eintreten. Wenn ein*e Arbeitgeber*in ausdrücklich ein Streikverbot ausspricht, wende dich an deine Gewerkschaft.
  • Beachte außerdem, dass die Ankündigung eines Streiks je nach Arbeitgeber*in als Vorwand für eine Diskriminierung am Arbeitsplatz dienen kann (insbesondere wenn du dich an deinem Arbeitsplatz bereits diskriminiert fühlst).
  • Wenn ein Streik zwar legal war, aber dennoch von dem*der Arbeitgeber*in sanktioniert wurde, kannst du und dein Rechtsbeistand versuchen, Einspruch zu erheben und eine Entschädigung zu erhalten.
  • Je mehr Menschen sich an einem Arbeitsplatz mobilisieren, desto unwahrscheinlicher werden Sanktionen.
  • Gesamtarbeitsverträge und Arbeitsverträge gelten für Personen mit und ohne Schweizer Staatsbürger*innenschaft. Im Allgemeinen sollten Arbeitgeber*innen nicht zwischen ihnen unterschieden. Die Folgen eines Streiks können sich jedoch für Personen ohne volle Aufenthaltsgenehmigung unterschiedlich auswirken, z. B. kannst du im schlimmsten Fall, wenn du entlassen wirst, Berufung einlegen und eine Entschädigung erhalten, aber die bleibende Arbeitslosigkeit könnte sich auf den Aufenthaltsstatus und die Möglichkeiten zur Einbürgerung (falls gewünscht) auswirken.
  • Hinzu kommt, dass sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart Arbeiter*innen mit Migrationshintergrund, nicht-binärer Geschlechtsidentität, nicht-heterosexueller Sexualität oder nicht-christlicher religiöser Überzeugung unverhältnismäßig stark von rassistischer und sexistischer Diskriminierung betroffen waren und sind. Das bedeutet nicht, dass du nicht streiken kannst, aber du solltest in Erwägung ziehen, in deiner Gruppe ein Bewusstsein dafür zu schaffen und auch mit Kolleg*innen außerhalb deiner Gruppe in Kontakt zu treten, die möglicherweise von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen sind, und sie unterstützen.
  • Gewerkschaftsmitglieder*innen erhalten kostenlose rechtliche Unterstützung (d. h. durch die Gewerkschaft oder eine*n engagierte*n Anwält*in) im Falle rechtlicher Konsequenzen sowie einen finanziellen Ausgleich für den Lohnverlust, der während des Tages auftreten kann. Für Unterstützung während des Streiks siehe Abschnitt „Während“.
  • Viele andere Organisationen und Verbände unterstützen Menschen aus marginalisierten Gemeinschaften, die aufgrund ihrer “Race”, Geschlechtsidentität, Sexualität, religiösen Überzeugungen und/oder körperlichen Be_hinderungen diskriminiert werden, indem sie zusätzliche Beratung oder kostenlose rechtliche Unterstützung anbieten, mit oder ohne Mitgliedschaft.
gezeichnet: eine türkise Person mit lila Bluse und violetterm cap auf dem steht "Streik!"
Fahnen raushängen, Merch tragen...

Nur noch einen Monat bis zum 14. Juni! Macht das alle sichtbar! Hängt Transpis mit euren Forderungen aus euren Fenstern und Balkonen, tragt euren Streik-Merch im Alltag, helft mit, Flyer zu verteilen uvm.

Während des Streiks

gezeichnet: türkise hand die ein Feuerzeig betätigt. es hat eine violette Flamme und auf dem Feuerzeig steht halb verdeckt von der Hand "feuer" und "Patriarchat" das Feuerzeig hat eine bunte Perlenkette
  • Gehe nicht allein dorthin
  • Überlegt euch einen Treffpunkt, an dem ihr euch treffen könnt, falls sich jemand verirrt
  • Bringt Wasser, Snacks und euren Ausweis mit (obligatorisch im Falle von polizeilicher Repressionen)
  • Spreche vorher mit einer Person deines Vertrauens oder in der Gruppe über eure Bedürfnisse (z. B. Angst vor großen Gruppen, engem Körperkontakt, körperliche Be_hinderungen etc.) 
  • Informiert euch darüber, wie ihr die Awareness-Teams kontaktieren und unterscheiden könnt
  • Verhalte dich während des Streiks verantwortungsbewusst. Achte auf deine Kolleg*innen, andere Aktivist*innen usw. und kenne deine eigenen Grenzen und die eurer Gruppe.
  • Halte die Augen offen für jede Form von ungerechten Handlungen, Diskriminierung, einschließlich Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit, Homo- und Transfeindichkeit usw. Übernehme nach Möglichkeit Verantwortung, wenn du auf solche Situationen stösst.
  • Achte besonders auf Menschen, die besonders häufig für Diskriminierungen ausgesetzt sind, z. B. aufgrund ihrer körperlichen Be_hinderungen, Geschlechtsidentität, Rassifizierung, Sexualität oder religiösen Überzeugungen. Sie haben möglicherweise besondere Bedürfnisse oder sind häufiger von gezielter Repression betroffen.
  • Suche im Falle von Diskriminierung den Dialog mit den Betroffenen, biete Unterstützung an und überlege, wie du am besten helfen kannst.
  • Unterlasse es, übermäßig zu fotografieren oder zu filmen, es sei denn, du triffst auf ungerechte Situationen.
Awareness

Der femiistische Streik findet im öffentlichen Raum statt, welcher kein Safer Space ist. Wir sind kollektiv deshalb verantwortlich, diesen Raum sicher zu gestalten.

  • Achtet auf einander.
  • Schaut, dass während der Demo keine grossen Lücken entstehen
  • Reagiere auf Grenzverletzungen, wenn Du welche mitbekommst und verbünde dich so!

Fühlst Du Dich unwohl, erschöpft? Oder beobachtest Du eine bedrohliche Situation?

  • Kontaktiere dsa Demoschutz-Team in gelben Westen, welches unser Vorhaben mit Wasser, Ohropax und FFP2-Masken unterschützt.
  • Das Sanitätsteam ist mit orangen Westen unterwegs. Kontakt im Notfall: 078 268 65 85 
gezeichnet, eine Person mit locken udn violettem Kapuzenjäckchen hat eine person mit türkisen braids im Arm
Antirep

Die Bewilligung für die Demonstration am 14. Juni ist eingereicht und wird erfahrungsgemäss bewilligt sein. Dennoch kann es sein, dass du an diesem Tag in Kontakt mit der Polizei kommst.

Im herrschenden Polizeisystem hast du nicht immer die Möglichkeit, deine Rechte durchzusetzen. Deshalb ist es wichtig, dass du weisst, wie du reagieren kannst:

  • Trage immer einen Ausweis bei dir. Wenn du von der Polizei nicht identifiziert werden kannst, kann diese dich zur weiteren Klärung deiner Identität auf eine Polizeiwache mitnehmen. Wenn dir Fragen gestellt werden, musst du folgende Angaben machen: Vor- und Nachname, Adresse und Geburtsdatum. Weitere Angaben wie Telefonnummer, Arbeitsplatz, etc musst du nicht machen.
  • Wenn du durchsucht wirst, frage die Polizei, aus welchen Gründen sie deine Taschen kontrolliert. Du hast das Recht, deine Kleidung anzubehalten und dich in der Öffentlichkeit nicht bis auf die Unterhose ausziehen zu müssen. Bestehe darauf, von einer Person des Geschlechts, mit dem du dich identifizierst, durchsucht zu werden. Leider sind trans, inter, nicht-binäre und agender Personen in dieser Situation möglicherweise besonders gefährdet. Achte während der Durchsuchung auf deine Freund*innen und greife gegebenenfalls ein.

Wie kann ich mich sonst beteiligen?

  • Lege eine Streikpause um 10.46 Uhr ein- weil als Frauen befragte Personen jeden Tag 2h46min arbeiten, ohne einen Beitrag zu ihrer Rente zu leisten; um 13.33 Uhr – weil aufgrund des lebenslangen Einkommensunterschieds zwischen als Frauen befragten Personen und als Männer befragte Personen, Frauen befragte Personen von dieser Uhrzeit an umsonst arbeiten; um 15.24 Uhr – weil zu diesem Zeitpunkt Lohngleichheit erreicht ist und als Frauen befragte Personen danach umsonst arbeiten (Berechnungen basierend auf Berechnungen des Bundesrates, welche binäre Geschlechterkategorien verwenden)¹
  • Blockiere eine Zeit in deinem Kalender, in der du nicht für Meetings oder die Beantwortung von Emails erreichbar bist
  • Organisiere einen “Dienst nach Vorschrift“, einen “langsamen Arbeitstag“ oder einen „Bleistiftstreik“. Bedenke, dass diese Aktionen Konsequenzen für deine Gruppe haben können.
  • Organisiere Veranstaltungen an deinem Arbeitsplatz. Diskutiert die Ziele des feministischen Streiks und wie sich dieser auf euren Sektor und eure Arbeitsbedingungen bezieht. Zum Beispiel: feministisches Mittagessen, feministischer Apéro, Vernetzungsveranstaltung, Workshops usw.
  • Führt eine Untersuchung über die Hauptthemen des feministischen Streiks in eurem eigenen Unternehmen durch. Mögliche Themen: Arbeiter*innenrechte, gewerkschaftliche Organisierung, Intersektionalität, Löhne, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Machtdynamiken, usw.
  • Hängt an eurem Arbeitsplatz Plakate mit euren Forderungen oder Zitaten von Personen auf, die euch bei eurem politischen Kampf inspirieren.
  • Kleidet euch auf eine bestimmte Weise, um zu zeigen, dass ihr Teil der feministischen Bewegung seid, z.B indem ihr etwas in der Farbe Lila trägt.
  • Stelle Rechnungen für die unbezahlte Haushalts-/Pflegearbeit aus, die von Menschen geleistet wird und sende diese an die lokalen Behörden
  • Organisiere dich mit anderen Menschen, die unbezahlte Arbeit leisten, nehmt gemeinsam an den Streikpausen teil, usw.
  • Beteilige dich durch Beiträge in den sozialen Medien online an dem Streik 
  • Nimm an der bewilligten Demo am Abend teil, wenn du kannst!
  • Trete der Solidaritätsgruppe des feministischen Streiks bei und mobilisiere deine cis-männlichen Freunde, ebenfalls mitzumachen. Kontaktiere das feministische Streikkollektiv über info[at]feministischerstreikzuerich.ch
  • Biete FLINTAQ* ( Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans, agender und queere Personen) an, bezahlte oder unbezahlte Arbeit zu übernehmen, wenn sie am Streik teilnehmen wollen.
  • Setze dich mit den Streikenden an deinem Arbeitsplatz in Verbindung und frage sie, ob dein Solidaritätsstreik die Gruppe unterstützen kann oder nicht. Bitte beachte, dass ein Solidaritätsstreik nicht legal ist und Konsequenzen haben kann.
gezeichnet: Person in vilettem Kapuzenpulli arbeitet im Homeoffice an einem türkisen Laptop auf eine Stuhl, daneben krabbelt ein Baby, die arbeitende Person schaut auf's Baby

1 Der Bundesrat (2022) Erfassung des Gender Overall Earnings Gap und anderer Indikatoren zu geschlechterspezifischen Einkommensunterschieden. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 19.4132 Marti Samira vom 25. September 2019. rep. Bern: Schweizerische Eidgenossenschaft, pp. 1–36.

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